Entstehung und Ziele

Ursprünglich stammt der Begriff "Ultras" aus Italien. Bereits in den frühen 50er und 60er Jahren entstanden dort die ersten Ultra Gruppierungen. Die "Ultras" revolutionierten die Art und Weise der Anfeuerung ihrer Mannschaften. Wer sind aber diese "Ultras" und was sind ihre Ziele? Die italienische Übersetzung des Begriffs "Ultras" lautet fanatische / extreme Fans. Eine eindeutige Definition des Ultragedankens gibt es nicht. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen ein Ultra unterstützt seinen Verein mit allen ihm möglichen Mitteln. Das Ziel jeder Ultra´ Gruppierung liegt darin, dem Spiel ein einzigartiges Flair zu verleihen. Die ständige Unterstützung der Mannschaft, welche nicht zwangsläufig vom Ergebnis oder Erfolg dieser abhängig ist, steht im Mittelpunkt des Handelns. Neben der abwechslungsreichen akustischen Unterstützung wird auch viel Wert auf optische Hilfsmittel gelegt wie: Konfettiregen, Fahnenmeere, Doppelhalter und aufwendige, selbst kreierte Choreographien. Letztendlich fasst jeder den Sinn und Zweck der Ultramanie ein wenig anders auf oder passt seine Vorstellungen den Zielen und dem Gedankengut seiner Gruppe an, was auch gut so ist und für Individualität und die Eigenart der verschiedenen Ultragruppen innerhalb eines Landes bürgt.

(Auf dem Bild zu sehen: unsere 1.te und 2.te Fahne)

Linke Fahne, selbstgemalt, roter Hintergrund, schwarze Schrift und weiße Kontur. Rechte Fahne genäht, schwarzer Hintergrund und weiße Schrift. Oben 3x Ultras, darunter Nördlingen.

Diese Fahnen (sowie alle anderen) existieren bis heute.

(Bilder: erste Auswärtsspiele 1996)

Ultras - die radikalen Schläger

Gerade in den Anfangszeiten mussten wir immer und immer wieder aufklären, was für uns Ultras bedeutet. Viele Leute verstanden darunter nur das sind irgendwelche Schläger Typen. Vermutlich auch weil die damalige Medienlandschaft Ultras oft damit in Verbindung brachte und auch zwischen Ultras und Hooligans keinen Unterschied machte. Im Laufe der Jahre hat sich das Image und damit auch die Schlagzeilen überwiegend verbessert. Hin und wieder waren noch Sprüche zu vernehmen wie: Ultras beim Basketball? Brennt hier gleich die Halle? Ja, natürlich, und eure Stadt fackeln wir gleich mit ab...

Ultras beim Basketball?

Ja, leider ist dieses Thema dann doch einen eigenen Absatz wert. Beim Basketball haben viele sofort ein Bild im Kopf: 10 Trommeln, Klatschpappen und ein paar Leute wo Defense schreien. Auswärtsfahrer? Vielleicht höchstens Kumpels von einem Spieler oder Familien. Das mag auch auf einige Vereine zutreffen, gerade in den unteren Ligen, ist aber nicht überall der Fall. Ich möchte da auch gar nicht mehr weiter ausholen, schaut euch die Spiele in Eurer Stadt einfach mal selbst an. Um es kurz zu halten, Ultras sind in so ziemlich jeder Sportart möglich. Und wenn die Leute wo das aufziehen es auch ernst meinen, den Gedanken nicht ins lächerliche ziehen, ist das auch völlig legitim.

Politik, gesunder Patriotismus

Wir sind nach wie vor der Meinung, jegliche Form von Politik hat in einer Halle und in einem Stadion nichts zu suchen. Wer politische Gedanken hat und sich engagieren möchte, kann dafür in eine Partei eintreten. Schwierig wird es zugegebener Maßen, wenn sich andersrum die Politik in den Verein einmischt, dann werden wir entsprechend reagieren. Ansonsten stehen wir für einen gesunden Patriotismus, seine Stadt zu lieben sollte selbstverständlich sein, ohne das jetzt einer daherkommt und uns in eine gewisse Schublade stecken möchte. Wer das nicht als normal ansieht, ja Gute Nacht... wer nicht auf seine Stadt stolz sein kann, wie kann er dann bei seinem Verein für die Stadt schreien?

(Bild: Industriehalle in Nördlingen)

(Bilder: einer der ersten Aktionen von uns beim Basketball. Kartons besprüht mit Vorderseite TSV 1861 Nördlingen und Rückseite Let´s go Nearle!)

Ultras Nördlingen 1996 - Namensfindung_gebung

Wie aber sind wir auf den Begriff Ultras gekommen und warum haben wir diesen gewählt? Dafür müssen wir zurück in die 90er Jahre gehen. Die Gründer der UN´96, damals 15 und 17 Jahre jung, brutal, gut aussehend und fußballbegeistert, blätterten im Supertifo (Fanzine aus Italien über die dortigen Szenen, gab es früher an jedem größeren Bahnhof) und waren begeistert, was dort vor sich ging. Choreographien, Banner, Rauch und immer wieder hing dort in den Kurven dieser Banner "Ultras". So richtig Ahnung, was der Begriff bedeutete, hatte man bis dahin nicht. In einer Zeit, wo das Internet noch in den Kinderschuhen steckte, Texte über Szenen rar waren und ein Bild im Netz länger zum Anzeigen brauchte als ein Buch zu lesen, war es schwer, an Informationen zu kommen. Wir hörten von der Geschichte, dass eine italienische Zeitung Anhänger des AC Torino als Ultra bezeichneten, nachdem diese nach einer Niederlage dem Schiedsrichter bis zum Flughafen verfolgten. Kurze Zeit später sind wir auf den Film "Ultra" gestoßen und fanden das ganze drum herum, auch abseits des Fußballs extrem spannend. Im Anschluss haben wir weiter versucht, Informationen aufzusaugen und sind auf das Manifest der Ultras vom AS Rom gestoßen. Jeder sollte dieses einmal gelesen haben! Trotz alle dem stand für uns neben Ultras auch noch der Begriff Supporters im Raum. Zu diesem Zeitpunkt ein recht beliebter Begriff und unter Supporten konnte sich einfach jeder etwas vorstellen. Am Ende haben wir uns trotzdem für Ultras (Nördlingen) entschieden, schlussendlich ausschlaggebend war dieses, für uns völlig neue und unbekannte, reizvolle, Mystische, seine Ursprungsgeschichte, dieses Gefühl nach dem Höchstmöglichen zu streben. In Deutschland selbst waren zu diesem Zeitpunkt Ultra Gruppen noch sehr rar und viele, mittlerweile große Gruppen, haben sich erst später gegründet. Unterschlagen wollen wir natürlich nicht, dass es bereits Gruppen gab, welche schon die ein oder andere Aktion machten. Aber sind wir mal ehrlich, zu diesem Zeitpunkt war doch keinem bewusst, was das für eine gigantische Bewegung es in Deutschland werden würde. So kam es also zur Gründung der Ultras Nördlingen im Februar 1996. Als erstes machten wir uns Pullover, mit einem Joker - Totenkopf drauf, welcher einen Schal trug mit dem Kürzel UN´96 darauf. Kurze Zeit später hatten wir unseren ersten Banner gepinselt, einfach nur mit dem Wort Ultras. Dieser wanderte sehr schnell ins Archiv und wurde durch einen zweiten, für die damalige Zeit klassischen Banner ersetzt. Schwarzer Hintergrund, weiße Schrift > Ultras Nördlingen. Von den Anfangszeiten gibt es recht wenig Bilder, einen Foto hatten wir nicht und Handys mit Kamera, liebe Kinder, gab es erst ab 2002. Allerdings schafften wir es mit unserem Banner öfters mal in größere Fanzines. Zum Beispiel:

-  Match Live Ausgabe 31 vom Dezember/Januar 1998/1999, Seite 19

- Match Live Ausgabe 35 vom Juli/August 1999, Seite 7 und Seite 18

- Match Live Ausgabe 41 vom Juni/Juli 2000, Seite 28

- Match Live Ausgabe 44 vom Dezember/Januar 2000/2001, Seite 22

- Match Live Ausgabe 49 vom August 2001, Cover Rückseite

- Erlebnis Fussball Ausgabe 01 erschienen Mitte 2001, Banner auf dem Titelbild zu sehen

- Erlebnis Fussball Ausgabe 02 erschienen September 2001, Seite 23 und 25

Ansonsten zogen die Jahre ins Land, man war auf jedem Heim und Auswärtsspiel, unterwegs in Busen und Zügen, wir tranken, sangen, feierten uns, das Leben und den Verein. Stichwort Pyromanie, dieser waren wir nie abgeneigt... im Gegenteil... damals war eher die Frage, wo bekommen wir das Zeug her und nicht wie bekommen wir es rein... direkt über Comet konnten wir damals kg weise schwarzes und weißes Rauchpulver bestellen und über Tifo in Italien Bengalos. Mehr war damals nicht drin, zumindest bei uns.

"Pyroshows" aus den Anfangszeiten:

(Bild vom Heimspiel im Rieser Sportpark 1997)

(Bild vom Heimspiel im Rieser Sportpark Anfang 2000) 

Ultras - eine Jugendbewegung?

Wir schreiben hier grundsätzlich nur unsere Meinung dazu. Wir haben als Jugendliche angefangen, uns mit der Ultra Bewegung zu beschäftigen und selbst eine zu gründen. Sind immer respektvoll damit umgegangen, nicht ohne Grund haben wir deshalb gesagt, wir bezeichnen uns jetzt nicht (mehr) als Ultras auf Bannern etc. weil wir es nicht mehr schaffen, bei allen Spielen anwesend zu sein. Der Ultra Gedanke lebt in jedem von uns weiter, nicht als Gruppe, aber man legt es nicht so einfach ab, vielleicht nie! Zurück zur Jugendbewegung, ich denke, dass es wichtig ist, Ultras nicht als reine Jugendbewegung zu betrachten, Ultras werden und müssen Erwachsen werden, die Jugend, der Nachwuchs in den Gruppen muss auf die "alten" aufschauen. Sie dürfen ruhig ihren eigenen Stil, ihre Meinungen einbringen, selbst ihre Erfahrungen machen und ihre Geschichte schreiben, jedoch immer mit Respekt "vor dem großen Ganzen." Ultras sterben nie? Dafür muss einem bewusst sein, welchen Lebensweg man beschreitet, sich voll und ganz für die Gruppe und den Verein einbringen und sich nicht in ein gemachtes Nest setzen und darauf ausruhen. Das ist vielleicht die größte Herausforderung. Für manche ist Ultras ein Lebensstil und für andere ein Lebensabschnitt.

Ab wann ist man eine Ultra Gruppe?

Diese Frage haben wir uns nie gestellt, wir waren bei der Gründung 2 Leute, welche einfach alles auf sich genommen haben, um den Verein zu unterstützen und immer anwesend zu sein - das war für uns der Ultra Gedanke. Vielleicht war es früher einfacher, du machtest dir keinen Kopf, warst einfach da und fertig.

(Bild vom Auswärtsspiel 1998. Kumpels angequatscht, welche eh nichts besseres zu tun hatten und losging es)

... von 2 zu 30 zu immer weniger ...

Wir waren also sage und schreibe 2 (...) Leute (zwischendurch mal mehr, nie weniger) und springen nun zum April 2003. Auf dem Rückweg von einem Auswärtsspiel spielten die Nördlinger Basketballer in Dachau, das wäre doch was dort aufzuschlagen? Und was sollen wir sagen? Seit diesem Tag waren wir über ein Jahrzehnt lang bei jedem Heim und Auswärtsspiel der Basketballer. Irgendwann ab ca. 2005 gab es dann zu jedem (!) Spiel eine Aktion in Form von einem Spruch und / oder Choreographie. Man legte ein ordentliches Tempo vor, ab ca. 2007 lag unsere Gruppenstärke bei rund 30 (aktiven) Mitgliedern. Fördermitglieder lagen wir bei rund 100. Mit dieser Anzahl hat man in Deutschland auswärts so ziemlich jede Halle im Griff und kann ordentlich was abreißen. Irgendwann ab 2012 folgte ein schleichender Prozess und von Jahr zu Jahr sank die Anzahl aktiver Mitglieder, junge Leute kamen keine nach und wir selbst sorgten erst zu spät für Nachwuchs, welcher noch nicht so weit ist. Irgendwann waren wir also nur noch eine Handvoll, und nach dem ganzen Erlebten konnte dieses jetzt nicht mehr unser Anspruch sein. Hinzu kam auch noch das Wissen, das dieser übrig gebliebene Haufen in Zukunft nicht garantieren kann, jedes (zweite) Wochenende auf Reisen zu gehen... Somit entschlossen wir uns 2014 das Ultras rauszunehmen und abzulegen. Viele gingen bereits da schon ihren eigenen Weg und der Rest...

(Bild vom Spiel Dachau - Nördlingen, April 2003)

(Bild vom Heimspiel 2003)

Und jetzt? Gegenwart und Ausblick

... ja, dieser Rest steht bis heute irgendwie immer noch mehr oder weniger regelmäßig in den Hallen und Stadien dieser Welt. Was hat sich geändert?  Durch das Ablegen des Begriffes Ultras haben wir uns selbst den (empfundenen) Druck genommen, immer und überall zu sein. Auch möchten wir den Namen Ultras nicht mehr verwenden, wenn wir nicht 100%ig diese Leidenschaft dafür aufbringen können. Was immer bleiben wird, ist die Liebe zum Verein und wir werden immer die Ultras von die 90er sein. Aktuell treten wir nicht als irgendeine Gruppe auf. Wenn wir Zeit haben, sind wir bei den Spielen und unterstützen unseren Verein weiterhin auch optisch mit Choreographien etc. Auf unseren Banner verwenden wir lediglich unseren Stadtnamen. Einmal jährlich schwelgen wir in Erinnerungen und holen unseren Banner "Ultras von die 90er raus".

UN´ser Logo

Logos hatten wir im Laufe der Jahre durchaus einige verwendet. Unser Hauptlogo entstand 2004. Wir wollten etwas ganz Einfaches und doch Besonderes haben. So kam uns der Gedanke an ein Strichmännchen. Eines unserer Mitglieder war damals bereits künstlerisch sehr talentiert und entwarf unser Logo. Sie zeichnete früher auch unsere Choreographien ohne Beamer, sondern frei Hand vor. Heute ist sie einer der gefragtesten Tätowiererinnen Europas mit eigenem Studio in München.

 Blick zurück

Würden wir uns wieder so benennen? Ein ganz klares Ja, schon allein deshalb, weil es ein großer Ansporn für uns war, auch wenn es Fluch und Segen zugleich ist. Woche für Woche haben wir an Aktionen gebastelt, Spieltags hefte geschrieben, Fahrten organisiert usw. alles für den Verein mit Leidenschaft, Spaß und Freude an der Sache. Intensive Freundschaften sind dabei entstanden. Irgendwann sind wir leider an den Punkt angekommen, wo Mitglieder sich aus verschiedenen Gründen zurückgezogen haben (Umzug, Familie etc.) und du stehst wieder irgendwo bei einer Mitgliederanzahl, die sich um die Anzahl bei der Gründung bewegt. Und jetzt kommen wir zum Fluch, ein Fluch deshalb, wenn du dich als Ultra bezeichnest, lebst du nach gewissen Regeln, du fährst zu allen Spielen, wie bereits erwähnt verbringst du auch unter der Woche viel Zeit mit Organisatorischem, Basteln, Zeichnen, Kleben usw. einfach jegliche freie Zeit wird in den Verein und in die Gruppe investiert. Ich möchte behaupten, je kleiner die Gruppe, desto größer macht man sich den Druck. Wenn bei 30, 40, 50 Leuten oder mehr ein paar keine Zeit haben - geschenkt. Aber ist nur noch eine Handvoll aktiver übrig, geht das auf Dauer nicht gut. Wir wollten keinen Schritt mehr zurück machen. Wir Ultras schreien immer nach Freiheiten und nehmen sie uns in gewissem Maße wieder selbst. Die Freiheiten, mal völlig unabhängig zu sein, etwas anderes zu machen, auf was man gerade Lust hat, mal zu sagen dieses Wochenende geht die Familie vor, all das nehmen wir uns. Wir haben einen gewissen Druck, immer bei jedem Spiel zu sein und den Level mindestens zu halten. Diesen Druck wollten wir uns nehmen und einfach wieder den Verein unterstützen, wenn wir Zeit und Lust haben, nicht aus einem gefühlten Zwang heraus. Warum Segen? Weil es unsere beste Zeit war (ist)! Viele Freundschaften sind entstanden und so viele Erlebnisse würde ich da jetzt ausführlicher berichten, es würde die Seitenzahl des Internets sprengen... Waren wir jemals Ultras, so wie wir es uns vorstellten? In meinen Augen ganz klar ja! Wir lebten für den Verein, es war unser Mittelpunkt über sehr viele Jahre im Leben und auch optisch und stimmungsmäßig haben wir viel erreicht, das ein oder andere Mal musste man sich durchaus Sorgen um das Hallendach machen... Unter dem Strich würde ich behaupten, wir sind definitiv die konsequentesten Ultras. Vermutlich wäre es den meisten gar nicht aufgefallen, wenn man bei dem ein oder anderen Auswärtsspiel in der 4. Liga beim Basketball mal nicht aufgetaucht wäre. Aber das wäre gegen unsere Ehre und gegen alle Ultra Regeln dieser Welt. Ganz oder gar nicht.

(Bild aus dem Jahre 2006 von der 10 Jahre UN´96 Feier)

(Bilder: 18 Jahre UN´96 - endlich Volljährig. Februar 2014)

(Bild: Abtransport einer Choreographie)

Kommen wir endlich zum Abschluss, soviel liest eh keiner...

Natürlich könnte ich noch seitenlang über Anekdoten usw. schreiben. Aber zum einen behaltet man manches gerne lieber für sich und zum anderen liest in der heutigen Zeit eh keiner mehr lange Texte im Internet. Persönlich ist es doch immer noch am schönsten, und dafür findet ihr uns auf irgendeinem Sportplatz beim TSV und/oder in einer Halle diese Republik. Bleibt euch treu und kämpft gemeinsam für die Sache, anstatt euch gegenseitig zu bekämpfen.

Ultras Forever - Forever Ultras!

Text: 04/2024, von einem Gründungsmitglied.

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